Familie Woodward

Wenn es eine Assoziation gibt, mit der man Maxine am ehesten verbinden kann, dann ist es das stets gefüllte Martini-Glas, mit welchem sie sämtliche Menschen in ihrer Umgebung begrüßt. Vielleicht ist das ihr Erfolgsrezept für die Gelassenheit der reiferen Dame, mit der sie jede noch so schwere Hürde in einer Eleganz meistert, auch wenn der Martini manchmal etwas zu sehr aus ihr spricht. Dennoch war sie stets eine sehr angesehene Person in Harper Grove und die tragende Kraft nach dem Tod von Marissa, die ihre Familie durch die schwere Zeit trug und ebenso versuchte, Winnie in den letzten Monaten abseits all der Vorfälle den Halt zu geben, den diese eigentlich benötigte. Dass sich ihre Enkelin aber auch vor ihr verschloss und immer mehr zurückzog, bereitete ihr zunehmend große Sorgen, so dass sie es für besser hielt, Winnie aus ihrem jetzigen Lebensort Richmond wieder nach Harper Grove zurückzuschicken. Und dennoch wird auch Maxines Wunsch, wieder in diese Kleinstadt zurückzukehren immer größer. Zumal sie dann noch genauer schauen könnte, was für eine Schnapsidee ihr Sohn mit dieser neuen Frau eigentlich verfolgt.

Dass Warren die Baufirma seiner Vorfahren mit Herzblut leitet, merkt wohl jeder Auftraggeber. Gerade wegen dieser Passion und seiner Fairness ist er auch ein gern gesehener Einwohner dieser Kleinstadt und ein Vater, der stets um das Wohl seiner Kinder bemüht ist. Stets versuchte er, seinen Kindern so viel Zeit wie möglich einzuräumen, auch wenn dies gelegentliche Nachtschichten mit sich brachte. Dennoch nagen die Ereignisse der letzten Monate und das zunehmende Entgleiten seiner jüngsten Tochter stark an ihm, so dass er gar keine andere Möglichkeit sah als sie nach dem Unfall für ein paar Monate aus der Stadt zu schaffen. Dass er sich in dieser Zeit in eine neue Frau verlieben und sie schon bald heiraten würde, hätte Warren sich niemals träumen lassen. Dumm nur, dass außer ihm einfach niemand Diana akzeptieren will und ausgerechnet Winnie alles daran setzt, diese Frau wieder loszuwerden. Dabei hat er doch verdient, endlich wieder glücklich zu werden, oder?

Wirklich viel kann niemand aus der Familie wirklich über diese Frau sagen, außer dass sie als Immobilienmaklerin von einem potenziellen Käufer angeheuert wurde und so auf Warren traf. Es dauerte gar nicht lang, da saß Dianna urplötzlich beim Abendessen mit am Tisch und turtelte so abartig mit Warren, als gäbe es kein Morgen mehr. An sich noch kein Todesurteil, hätte diese Frau nicht bei der Verabschiedung mit einem übermäßig glitzernden Ring vor der Nase der Woodward-Geschwister rumgewedelt und gesagt, dass sie sich auf das kommende Zusammenleben freue. Allein diese Vorstellung bereitet vor allem Winnie Bauchschmerzen, zumal sie bis jetzt nicht verstehen kann, wie ihr Dad sich so schnell in eine neue Frau verlieben und ihr zugleich einen Heiratsantrag machen konnte. Sämtliche Gespräche der Kinder mit Versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen, scheitern seither kläglich, was vor allem Winnie nur noch mehr darin bestärkt, diese Frau schnellstmöglich loszuwerden. Sie ist kein Teil der Familie und wird es auch niemals werden!

Es ist grausam, dass so wunderbare Menschen viel zu früh von dieser Welt gehen müssen und damit eine Leere hinterlassen, die einfach nicht zu füllen ist. Marissa war eine herzensgute Frau, eine leidenschaftliche Krankenschwester und vor allem eine Mutter, die voll und ganz in diesem Wirken aufging. Kein Wunder, dass sie daher zu all ihren Kindern eine enge Beziehung pflegte und stets darum bemüht war, ihr Bestes zu geben. Ihr plötzlicher Tod, aus einem Hirnaneurysma resultierend, erschütterte die Einwohner von Harper Grove und ist für ihre Familie bis heute kaum begreifbar. Und auch Winnie erwischt sich oft dabei, dass sie am Morgen nach ihrer Mutter Ausschau hält, um dann enttäuscht feststellen zu müssen, dass sie nicht zurückkommen wird. Gerade in den letzten Monaten hätte sie ihre Mom wohl mehr gebrauchen können, als jemals zuvor.

In jeder Familie gibt es doch mindestens eine Person, die nur allzu gern aus der Reihe tanzt. Bei den Woodwards ist dies definitiv Wyatt. Im Gegensatz zu seinem pflichtbewussten Bruder, war der jüngere Zwilling schon immer ein Freigeist und Lebemann gewesen, der den Spaß und das Abenteuer über die Pflichten und Regeln stellte. Wahrscheinlich ist auch gerade diese Unbeschwertheit der Grund für die engere Bindung, die Winnie im Vergleich zu seinem Zwilling mit ihm teilt. Sein Wegzug im letzten Sommer fiel Winnie unglaublich schwer, zumal sie ihn nicht einfach mal schnell besuchen kann, wenn ihr danach ist. Doch seine größte Passion war schon immer der Football, was ihm auch ein Stipendium die University of Oregon einbrachte und sogar zu einem der gefragtesten Spieler der dortigen Ducks macht. Mit etwas Glück steht ihm eine große Karriere bevor, wenn er es bis dahin schafft, sich endlich zusammenzureißen. Dumm nur, dass Frauen und Partys so verführerisch sind.

Als Erstgeborener wies Wesley bereits im Kindheitsalter einen gewissen Beschützer-Instinkt auf, wenn vor allem sein Zwillingsbruder mal wieder in Schwierigkeiten geriet. Seiner Eloquenz und seinem Verhandlungsgeschick zum Glück war er immer der Retter und Schlichter seiner Geschwister, auch wenn Wes sich somit in den Jahren zum Moralapostel entwickelte und vor allem Winnie nur allzu gern die Leviten las. Dennoch war und ist Wesley wohl der beste Ratgeber, auch wenn seine Worte nicht immer Seelenbalsam sind. Nach dem Tod der Mutter übernahm er viel Verantwortung und erarbeitete sich zurecht den Titel des Goldjungens, der irgendwann das Familienunternehmen fortführen wird und bereits jetzt als Student für Bauingeneurwesen. Ab und an sollte er aber nicht vergessen, dass auch er erst 19 Jahre alt ist und ein wenig leben. Sein Zwillingsbruder kann ihm zeigen, wie das geht.

Einst war Winnie lediglich als die hübsche Tochter des örtlichen Bauunternehmers bekannt, welches als Kleinkind nur allzu gern auf den Baustellen ihres Vaters tobte und einfach jeden mit ihrem Lächeln bezauberte. Doch seit diesem Sommer ist die 16-Jährige als das Mädchen bekannt, das nach einer Party ihren Freund bei einem gemeinsamen Autounfall kurz vor Harper’s Grove verlor. Ganze drei Monate war die Junior-Schülerin von der Bildfläche verschwunden, um sich von diesem schrecklichen Schicksalsschlag zu erholen und jetzt festzustellen, dass sich seither einiges verändert hat. Dennoch versucht sie ihr Leben bestmöglich zu meistern und die Stimmen zu ignorieren, die ihr eine gewisse Mitschuld an dem Unfall geben. Dass sie nach all dem gar keine Gedanken an eine neue Beziehung verschwendet, sollte sich von selbst verstehen, auch wenn sie sich noch nie so einsam gefühlt hat.